Wie man sich als Einsteiger vor dem Anlegen fühlt, weiß jeder Skipper. Schließlich hat jeder einmal angefangen. Aber selbst bei erfahrenen Bootsleuten sorgen Hafenmanöver regelmäßig für Unsicherheit – die Liste der unvorhersehbaren Überraschungen ist schließlich lang und reicht von peinlichem Leinensalat bis zur plötzlichen Böenwalze. Dieser Artikel erklärt Ihnen die Grundlagen erfolgreicher Hafenmanöver und gibt Ihnen Beispiele für das Anlegen mit dem Motorboot.
Eigentlich könnten die meisten Törntage so schön sein – wenn sie nicht so stressig beginnen und enden würden. Denn ohne Ab- und Anlegen geht es nun einmal leider nicht, und jedes Hafenmanöver stellt immer eine neue Herausforderung für Skipper und Crew dar.
Wer neu dabei ist und erwartet, dass ihn die praktische Ausbildung zum Sportbootführerschein für jede Situation wappnet, der wird aus dem Staunen so schnell nicht mehr herauskommen. Denn natürlich kann diese zeitlich knappe Ausbildung nur die wichtigsten Grundkenntnisse vermitteln, verbunden mit der dringenden Empfehlung, soviel zu üben wie nur möglich. Denn erst mit der Übung kommt die Erfahrung, mit der Erfahrung die Routine und mit der Routine schließlich die Sicherheit, auch in ungewohnten und überraschenden Fällen angemessen reagieren zu können.
Es ist wichtig, alle Manöver zu beherrschen, aber auf das Anlegen sollten Sie sich besonders konzentrieren – dieses können Sie bei ungünstigen Wetterverhältnissen im Gegensatz zum Ablegen nicht aufschieben!Tipp:
Je größer die Crew, desto besser für das Anlegemanöver, denn am einfachsten ist es, wenn auf dem Vor- und Achterschiff jeweils zwei Personen, wie in der Abbildung gezeigt, für die entsprechenden Leinen eingeteilt werden können. Damit es dabei kein Durcheinander gibt, muss die Crew allerdings eingespielt oder zumindest genau in die jeweilige Aufgabe eingewiesen sein. Eine Person auf dem Vorschiff übernimmt dabei auch das Anzeigen der Entfernung zum Steg. Außerdem sollte folgende Ausrüstung immer vorbereitet und einsatzklar an Deck oder bereits ausgebracht sein:
Je nach Bootslänge sollten pro Bordwand mindestens drei normale Fender und ein Kugelfender ausgebracht werden, solange nicht klar ist, mit welcher Seite angelegt wird. Sie werden per Webeleinstek an der Reling befestigt und sollten das Wasser nicht berühren. Die Höhe richtet sich nach dem Liegeplatz. Dazu kommen eventuell Heckfender.
Wichtig bei allen Leinen ist, dass sie von der Klampe an Bord unter der Reling hindurch zunächst nach außen und erst dann oben herum zurück an Deck geführt werden, wo sie in Buchten aufgeschossen bereit gelegt werden. Vorbereitet werden in jedem Fall zwei Vorleinen an den entsprechenden Klampen (Abbildung: A) und dazu zwei Achterleinen (Abbildung: C). Mittschiffs können ebenfalls bereits Leinen deponiert werden (Abbildung: B). Sie kommen bei Bedarf entweder als vorübergehende kurze Mittelleine oder an beliebigem Ort als Spring zum Einsatz. An gut erreichbarer Stelle kommt – wenn vorhanden – eine weitere lange Reserveleine dazu (Abbildung: D) , falls eine andere Leinen bricht, über Bord geht oder zurückgelassen werden muss.
Zusätzlich sollte ein weiterer Fender zum Abhalten und der Bootshaken griffbereit sein, um Leinen überlegen zu können (Abbildung: E). Am Fahrstand (Abbildung: F) sorgt der Skipper für freie Rundumsicht, schaltet die Außenmusik aus, um gute Verständigung zu ermöglichen, und schaltet Bug- und Heckstrahlruder ein, falls das Boot damit ausgerüstet ist.
Ein längsseitiger Liegeplatz hat vor allem den Vorteil, dass man sich nicht erst umständlich in eine Box zwängen muss. Schnell hat man angelegt und ist – wenn man möchte – schnell wieder weg. Also perfekt für einen kurzen Stopp, um jemanden an Bord zu nehmen, zum Einkaufen, Essen oder Bunkern.
Sind Sie mit dem Boot noch nicht voll vertraut, sollte die Länge des Liegeplatzes mindestens der doppelten Bootslänge entsprechenTipp:
Die Fender sind ausgebracht, Vor- und Achterleinen vorbereitet, dazu eine Querleine mittschiffs. Langsam in einem Winkel von etwa 45 Grad auf das hintere Drittel der
Lücke zuhalten. Mit dem Ruder mittschiffs abwechselnd voraus ein- und auskuppeln, um das Boot manövrierbar zu halten. Ist der Steg vom Fahrstand aus nicht mehr einsehbar, muss sich der Skipper die Entfernung in Metern anzeigen oder zurufen lassen.
Bei einer Entfernung von ein bis zwei Metern zum Steg das Ruder vom Land
weg legen (in diesem Fall also voll nach Backbord eingeschlagen) und kurz voraus
eingekuppeln. Durch den Drehpunkt weit achtern wird das Heck in Richtung Steuerbord zum Steg gedreht.
Sobald der Rumpf parallel zum Steg ausgerichtet ist, mit einem kurzen Schub achteraus
aufstoppen. Besonders bei kleiner Crew (und fehlender Hilfe auf dem Steg) kann es hilfreich sein, das Boot zuerst mit einer kurzen Querleine zu sichern, da es so am schnellsten „eingefangen“ und am Steg gehalten werden kann. Als nächstes die luvseitige Vorleine belegen, um zu verhindern, dass das Boot nach achtern abtreibt. Danach die Achterleine festmachen, gefolgt von Vorund Achterspring. Die Maschine erst ausschalten, wenn alle Leinen fest sind. Die Querleine hat nun ihren Zweck erfüllt und wird wieder entfernt; beiSchwell könnte sie unangenehme Ruckbewegungen auf den Rumpf übertragen.
In einem Winkel von 35 bis 45 Grad und mit dem Ruder mittschiffs das vordere Drittel des gewünschten Liegeplatzes langsam in gerader Linie ansteuern. Im Idealfall hält man dabei bereits auf den Poller oder die Klampe für die Vorleine zu. Um die Geschwindigkeit gering zu halten, beide Maschinen abwechselnd voraus ein- und auskuppeln. Der Bug sollte so dicht an den Anleger heran bewegt werden, dass die Person auf dem Vorschiff die Vorleine nun entweder selbst über den Poller werfen oder an Land geben kann.
Wenn die Leine dichtgeholt und belegt ist, die außenliegende Maschine (hier Backbord) kurz achteraus eingekuppeln. Das Heck wird nun um den Drehpunkt der Vorleine herum an den Steg gezogen. Liegt das Boot parallel, folgen auch hier Achterleine und Springs.
Text: Christian Tiedt / Lars Bolle
Foto oben: Christian Tiedt