Unterricht im virtuellen Klassenzimmer

Unterricht im virtuellen Klassenzimmer

Webkonferenzen, virtuelle Klassenräume oder Webinare sind mittlerweile nicht mehr nur technisch versierten Anbietern vorbehalten. Mit ein wenig Software und der bereits vorhandenen Hardware lassen sich schon viele Situationen abbilden. Mit etwas zusätzlicher Technik und Software sowie ein paar Tipps erhält der virtuelle Klassenraum dann auch einen professionellen Anstrich.

In diesem Beitrag geht es um Gedanken zur Einrichtung eines virtuellen Klassenzimmers in einer Sportbootschule. Technische Voraussetzungen werden dabei ebenso beleuchtet wie die eigentliche Gestaltung des Unterrichts.

Wir wollen in diesem Beitrag folgenden Fragen auf den Grund gehen und zudem praktische Beispiele geben:

•           Web-Seminar und Online-Meeting. Was sind die Unterschiede?

•           Auswahl der richtigen Software für den Online-Unterricht

•           Meine favorisierte Webinar-Software

•           Technische Voraussetzungen

•           Die Durchführung eines Online-Seminars

Web-Seminar und Online-Meeting. Was sind die Unterschiede?

Für ein Gespräch im virtuellen Raum gibt es unzählige Begrifflichkeiten.

Eine Webkonferenz bzw. Online-Meeting ist ein virtuelles Treffen von Teilnehmern im Internet, das mithilfe von Audio- und Videoübertragung realisiert wird. Wie bei einer realen Konferenz gibt es einen Moderator, der die Rolle aber im Laufe der Sitzung auch an andere Teilnehmende übertragen kann. Eine Webkonferenz, deren ideale Gruppengröße aus 2 bis 20 Personen besteht, kann frontal durch eine Präsentation („One-to-many“-Prinzip) oder auch im Dialog („Many-to-many“-Prinzip) durchgeführt werden.

Im Gegensatz zur Webkonferenz werden Web-Seminare bzw. Webinare vorrangig zur Online-Schulung verwendet, die Hunderte von Personen erreichen können. Die Rolle des Vortragenden steht im Vordergrund, sodass die Möglichkeit des Dialogs gegebenenfalls nur über eine textbasierte Chat-Funktion gegeben ist. Auch bei 15 bis 30 Teilnehmenden ist ein Webinar einer Webkonferenz möglicherweise vorzuziehen.

Beide Formate können aufgenommen und nachträglich als Aufzeichnung zur Verfügung gestellt werden. Das bringt den Vorteil mit sich, dass Teilnehmende, die einen Termin verpasst haben, diesen auch nachträglich noch anschauen können. Im Sprachgebrauch ist aber ein Web-Seminar, Webinar oder Online-Kurs vor allem aus Kundensicht nicht automatisch eine Echtzeitveranstaltung („Live“) und somit eher für Autodidakten geeignet. Hier ist in der Bewerbung der Veranstaltung eine klare Abgrenzung ratsam.

Auswahl der richtigen Software für den Online-Unterricht

Wer hat sich nicht schon mal per Videotelefonie via WhatsApp, FaceTime oder Skype mit anderen unterhalten? All diese Systeme sind kostenlos nutzbar. Es können Gruppengespräche und Konferenzen mit 4, 32 oder 50 Personen durchgeführt werden. Für eine regelrechte Online-Schulung ist aber nur Skype geeignet. Der Markt für Seminar-Software ist gigantisch. Ein erster Schritt muss es deshalb sein, Kriterien für seine eigenen Bedürfnisse festzulegen.

Wir haben letzte Woche – mitten in der Zeit des Kontaktverbots – die ganze Familie zum Kaffeeklatsch eingeladen. Getroffen haben wir uns in unserem Wohnzimmer – per Skype. Jeder bei sich zu Hause mit einem Tablet, Laptop oder Smartphone auf dem Tisch. Wir haben uns prächtig unterhalten und waren froh über den virtuellen Kontakt und die Abwechslung.

In meinem Fall habe ich folgende Kriterien festgelegt, um meine Suche nach einer passenden Software zu kanalisieren:

•   einfache Bedienung für Moderator und vor allem die Teilnehmenden

•   Screensharing zum Teilen meines Bildschirminhalts, um beispielsweise eine Präsentation oder Funksimulationssoftware zu zeigen

•   Chat (damit während des Vortrages auch Fragen als Texteingabe formuliert werden können)

•   Whiteboard (elektronische Tafel)

•   Aufnahmefunktion

•   Teilnahme via Telefon (sofern die Datenverbindung beim Empfänger so schlecht ist, dass kein vernünftiger Audio-Stream möglich ist)

•   Beteiligung ohne Installation von Software (für alle Kunden, die Bedenken beim Download oder der Installation von Software haben)

•   Nutzung ohne Registrierung möglich

•   DSGVO-konform zur Einhaltung europäischer Datenschutzstandards (daher die Teilnahme ohne Registrierung)

•   moderate Kosten

Ich habe zudem für meinen Bedarf festgelegt, dass eine Sitzungsdauer (mit Pause) maximal 4 Stunden und dass die Anzahl der Teilnehmenden maximal 30 Personen (in der Regel aber eher 5 bis 15) beträgt.

Vergleich von Meeting-Software auf www.getapp.de
Vergleich von Meeting-Software auf www.getapp.de

Der nächste Schritt war eine Recherche im Internet, um eine Marktübersicht zu erlangen. Vergleichsportale (wie www.getapp.de oder www.vergleich.org) und Testberichte haben dabei sehr geholfen.

Nach meiner subjektiven Beurteilung erfüllt ZOOM.us teilweise oder sogar vollständig die für meinen Bedarf definierten Kriterien in ausreichender Form. Ich halte es auf den ersten Blick für bedienerfreundlicher als „GoToMeeting“ oder „GoToWebinar“, in der Administration einfacher als „Teams“ von Microsoft und günstiger als „Adobe Connect“ oder „WebEx“ von Cisco. Das deutsche Produkt „Blizz“ der TeamViewer AG aus Göppingen habe ich mir nicht mehr angeschaut, halte es aber nicht nur wegen der Frage des Datenschutzes für interessant.

Meine favorisierte Webinar-Software

Die Funktionsweise von ZOOM.us wird in einem ansprechenden Blogbeitrag und einem Video mit dem Titel „Webinare, Online Workshops und Meetings mit Zoom erstellen“ verdeutlicht. Die Autorin Johanne Fritz ist Online Business Coach und unterstützt Unternehmen und Selbstständige dabei, in der Online-Welt Fuß zu fassen.

Zoom ist bis zu einer Meeting-Dauer von 40 Minuten frei nutzbar und kann somit einfach getestet werden. Eine monatliche Gebühr von 13,99 € erhöht das Zeitlimit der Sitzungen auf 24 Stunden bei einer Begrenzung auf 100 Teilnehmer.

Einen schnellen Eindruck kann man gewinnen, wenn man eine Test-Sitzung startet: https://zoom.us/test (keine Anmeldung oder Registrierung nötig).

Technische Voraussetzungen

Zwar können die Teilnehmenden entscheiden, ob Sie Ihr Videobild übertragen oder nicht. Sie sollten aber nicht anders auftreten, als wenn sie zum Präsenzunterricht gehen. Ihr Erscheinungsbild in puncto Kleidung, Frisur und Körperhaltung sollte beim Web-Seminar nicht anders sein. Der labbrige Pullover, struppige Haare oder ein ungepflegtes Aussehen sind tabu (es sei denn, es gehört zu Ihrem üblichen Erscheinungsbild).

Der Ton macht die Musik! Testen Sie im Vorfeld ausführlich die Tonqualität. Zwar sind Lautsprecher und Boxen im Laptop eingebaut, aber sie sollten wissen, wie Sie gehört werden. Werden Nebengeräusche wie die vom Lüfter oder dem Klicken der Tastatur übertragen? Ist bei der Übertragung ein Nachhall wahrnehmbar? Je schlechter die Audioqualität, desto anstrengender ist es, Ihnen zu folgen. Sie würden auch kein Seminar direkt neben der Autobahn abhalten, weil Sie wissen, dass Ihnen bald niemand mehr zuhört.

Denken Sie über ein externes Mikrofon nach, könnte es beim Online-Meeting oder Webinar ein Ansteck- oder Lavaliermikrofon sein (z. B. Speedlink SPES Clip-On). Headsets (Jabra, Logitech, Sennheiser) stören die Optik und geben ggf. auch Atemgeräusche wieder. Externe Mikrofone neigen wie eingebaute Tonabnehmer dazu, hallig zu wirken. Wenn Sie allerdings schon ein Mikrofon haben, sei es auch ein Smartphone-Kopfhörer, probieren sie dieses einfach mal aus.

Laptopkameras kommen in puncto Auflösung, Lichtempfindlichkeit und Aufnahmewinkel an Ihre Grenzen. Wenn Sie keinen Laptop besitzen, kommen Sie um eine Webcam nicht herum. Der Preis für eine Kamera, die auch bei kritischen Lichtverhältnissen gute Bilder macht, liegt bei 80,- € (Logitech c920s) bis 220,- € (Logitech Brio).

Mit einem Tablet kann man ebenfalls präsentieren, dieses als Whiteboard zum Zeichnen benutzen oder etwas abfilmen (Dokumentenkamera). Vor allem können Inhalte diverser Apps (SBF-Fragen oder Yachtnavigator mit Übungskarte D 49) übertragen werden. Noch schöner ist es, mit dem Computer zu präsentieren und dann das Tablet mit in die Präsentation einzubinden.

Setzen Sie einen Visualizer (Dokumentenkamera) bereits im Unterricht ein, sollten Sie prüfen, wie Sie dieses Bild auch auf Ihren Computer übertragen können. Alternativ kann ein Tablet, Smartphone oder eine Digitalkamera mit dem entsprechenden Ständer als Dokumentenkamera umfunktioniert werden. Grade, wenn Knotenkunde oder Navigation vermittelt werden soll, ist diese Option sehr interessant.

Foto: Tablet mit der SBF-Fragen-App wird über den Laptop als Web-Seminar übertragenDie Durchführung eines Online-Seminars.
Foto: Tablet mit der SBF-Fragen-App wird über den Laptop als Web-Seminar übertragenDie Durchführung eines Online-Seminars.

Jedes Web-Seminar sollte sorgfältig strukturiert und geplant sein. Entwickeln Sie Ihre persönliche Check-Liste, und arbeiten Sie diese ab. Zeichnen Sie die Veranstaltung auf, und lernen Sie aus Ihren Fehlern. Laden Sie sich Co-Moderatoren ein, die während der Veranstaltung entsprechende Hinweise und Fragen stellen können und die die Zeit im Blick haben.

Ist den Teilnehmenden klar, was Sie erwartet? Bei der Menge an unterschiedlichen Bezeichnungen (Web-Seminar, Online-Meeting, E-Learning, Online-Kurs), die nicht eindeutig voneinander abgegrenzt sind, ist dies nicht ganz einfach. Auch Webinare finden nicht immer zwangsläufig in Echtzeit statt. Ihre Veranstaltung findet live statt, bietet Möglichkeiten für Rückfragen und passt sich dem Lerntempo der Zuhörer an? Dann machen Sie das Ihren Kunden auch klar.

Einladung

Versenden Sie vor der Veranstaltung Erinnerungsmails. Beispielsweise einen Tag vorher und vielleicht noch Mal eine Stunde vor Beginn der Veranstaltung.

Generalprobe

Eine Generalprobe mit Ihrem Co-Moderator verschafft Ihnen Ruhe und Sicherheit. Selbst wenn Sie keinen Zuschauer haben, können Sie die Präsentation aufzeichnen und sich später erneut anschauen. Wie beim Theater sind die kritischen Punkte die Übergänge – in diesem Fall ein Medienwechsel.

Am Tag der Veranstaltung prüfen Sie rechtzeitig vor Beginn des Webinars nochmals die Technik. Laufen alle relevanten Programme, Präsentationen und der Chat? Sind alle Programme geschlossen, die Sie nicht benötigen oder ablenken können? Stellen Sie sich ein Getränk bereit.

Sobald sich neue Teilnehmer einloggen, begrüßen Sie diese.

Regeln

Stellen Sie sich Regeln auf, und versuchen Sie diese einzuhalten.

•   Wenn Sie normalerweise im Stehen unterrichten, machen Sie das auch im Webinar (sofern es möglich ist). Ideal ist ein Stehpult oder ein höhenverstellbarer Schreibtisch.

•   Planen Sie kürzere Sitzungen als beim Präsenzunterricht ein. Lieber mehr und öfter. Planen Sie gegebenenfalls Pausen ein. Ideal sind Zeiten von 45 bis 90 Minuten.

•   Die Abfolge der Themen sollte zu Beginn der Sitzung kommuniziert werden.

•   Legen Sie Regeln für die Kommunikation fest. Sollen Fragen einfach hereingerufen oder erst die elektronische Hand gehoben werden? Sind Fragen erst am Ende eines Abschnittes erwünscht?

Fordern Sie „Reaktionen“ ein wie „Daumen hoch“. Konferenz- und Webinarsoftware haben solche Funktionen auch in elektronischer Form.

•   Stummschalten der Teilnehmer (vor allem bei großen Gruppen) bringt Ruhe und vermeidet Nebengeräusche. Fragen können dann trotzdem gestellt werden, wenn Teilnehmer Ihr Mikrofon dafür aktivieren.

•   Wenn Fragen per Chat gestellt werden, sollten Sie diese in Ihrem Vortrag wiederholen und darauf eingehen. Motivieren Sie die Teilnehmenden, Fragen und Reaktionen abzugeben.

Aufnahme

Nehmen Sie das Webinar auf. Setzen Sie Ihre Kunden vor der Aufzeichnung aus datenschutzrechtlichen Gründen in Kenntnis darüber. Sie können auf diese Weise angemeldeten Teilnehmern, die nicht dabei waren, die Aufzeichnung zur Verfügung stellen. Auch für eine Selbstanalyse ist eine Aufzeichnung hilfreich.

Sie können in den Einstellungen der Software dafür sorgen, dass lediglich der Audio- nicht aber der Videostream der Teilnehmenden aufgezeichnet wird.

Das Web-Seminar

Starten Sie pünktlich.

Besprechen Sie Regeln, holen Sie sich das Einverständnis für eine Aufzeichnung ein, und starten Sie diese. Begrüßen Sie noch einmal die Teilnehmenden, und stellen Sie sich vor (denn dieses wird jetzt aufgezeichnet). Ihre Startfolie sollte das Thema der Veranstaltung und Ihren Namen zeigen.

Eine lebendige Präsentation ist hilfreich. Grundsätzlich können die bestehenden Präsentationen weiterhin verwendet werden. Regeln für eine gute Präsentation (weniger Text, mehr Bilder) gelten hier ebenfalls. Variieren Sie Ihre Präsentation. Als Beispiele seien genannt:

• Whiteboard-Funktion (ergänzen Sie Ihre Präsentation durch Zeichnungen). Konkret: Erstellen Sie eine Präsentation mit Fahrzeugen in der KVR. Wie diese auszuweichen haben, zeichnen Sie im Beisein Ihres Publikums über die Whiteboard-Funktion ein.

• Nutzen Sie die elektronische Übungskarte D 49 am Computer oder Tablet, um Tonnen, Leuchttürme und Tiefenlinien direkt auf der Karte zu erklären.

• Holen Sie sich den Fragenkatalog auf den Schirm mit der SBF-Fragen-App.

• Nutzen Sie das Bootsführerschein-Portal, um den Kunden Inhalte zu veranschaulichen.

• Gehen Sie ins Internet, und zeigen Sie die aktuellen AIS-Daten, die Sperrungen auf Elwis oder die Wasserstände des BSH.

• Zeigen Sie einen Film (z. B. zum NOK).

Interagieren Sie mit dem Publikum. Stellen Sie Fragen, und fordern Sie Reaktionen ein. Sie können mit der Software auch Umfragen gestalten und initiieren. Teilen Sie die Gruppe in kleine Arbeitsgruppen auf, und schicken Sie diese in „separate Räume“. Verwenden Sie diese technischen Möglichkeiten allerdings angemessen.

Behalten Sie die Zeit im Auge, und machen Sie pünktlich Schluss. Bitten Sie um eine Rückmeldung. Verteilen Sie Hausaufgaben, und erzeugen Sie eine Stimmung, sich wiedersehen zu wollen.

Arbeitsplatz für das Web-Seminar: Dokumentenkamera, Headset und ein Glas mit Wasser
Arbeitsplatz für das Web-Seminar: Dokumentenkamera, Headset und ein Glas mit Wasser

Autor: Klaus Schlösser ist Inhaber einer Sportbootschule und hat sich als Anwender mit dem Thema Online-Seminare befasst. Dieser Artikel gibt keine umfangreiche und neutrale Recherche wieder, sondern ist als Erfahrungsbericht gedacht. Der Autor freut sich ausdrücklich über Rückmeldungen und eigene Erfahrungen.

Bilder: „Kaffeetafel“ (Isabel Rotschies), „Johanna Fritz“ (Sandra Ruth), „Laptop & Tablet“ sowie „Arbeitsplatz“ (Klaus Schlösser)